[English below]
Die vilLA54 war der Versuch sich einen neuen feministischen, herrschaftsfreien Raum anzueignen. Im September 2019 fanden in Berlin die „Tu-Mal-Wat Aktionstage“ statt. Es wurde zu vielfältigen Veranstaltungen und Aktionen rund um die Wohnraumthematik aufgerufen. Eine Gruppe von Menschen nutzte die Gelegenheit und besetzte ein leerstehendes Gebäude auf einem ehemaligen Brauerei Gelände in der Landsberger Allee, welches nicht ohne Grund VilLA 54 genannt wurde. Einen luxuriösen Anschein sollen eine breite Treppe, Parkettböden und Stuck in den zahlreichen Räumen der beiden Stockwerke gemacht haben. Doch der siebenjährige Leerstand hat seine Spuren hinterlassen und der Verfall setzt sich immer weiter fort. Vor noch acht Jahren wurde das Gebäude von dem Künstler*innenkollektiv LA 54 genutzt, welches mit der Begründung des sanierungsbedürftigen Zustandes von dort verdrängt wurde. Heute ist das Gebäude im Besitz der Patzendorfer GmbH, ein Teil der Investa, und steht wieder leer. Investa? Genau, dieselben Akteur*innen der Verdrängung, die in der Rummelsburger Bucht Luxusbauten errichten wollen. Diese wollen nun das Gebäude sanieren, um es zukünftig für Büroräume, Coworking-Spaces und Showrooms nutzen zu können.
Die Pläne der Besetzer*innen, die überwiegend FLINT*-Menschen sind, sahen anders aus. Das Haus sollte vor allem als Schutzraum für Menschen marginalisierter Gruppen fungieren. Eine konkrete Maßnahme um einen Safer Space für FLINT*-Personen zu schaffen, war die Idee, die obere Etage frei von cis Männern¹ zu gestalten. Aber auch für weitere Konzepte sollte der Raum offen sein. Ebenfalls richtete sich die Besetzung gegen Leerstand, Gentrifizierung und Verdrängung. Durch Transparente war zu erkennen, dass sich die Besetzer*innen mit der von Räumung bedrohten anarcha-queerfeministischen Liebig34 und dem Hambacher Forst solidarisierten.
Doch am Abend des selben Tages kam mit dem Strafantrag des Eigentümers die Räumung. Bereits seit Mittag war ein großes Aufgebot der Polizei angerückt, dazu eine Feuerwehreinheit, Klettercops und massig Hamburger Gitter. Es sollte ein Bild von den gefährlichen Autonomen geschaffen werden, doch die Gefahr ging einzig von der Polizei aus, die sich ihr Gewaltmonopol zu Nutze machte. Auf brutale Art und Weise wurden die Menschen vom Dach oder aus der Traverse geräumt. Die Besetzer*innen mussten Schikanierungen und sexistisches, sowie übergriffiges Verhalten der Polizei über sich ergehen lassen, wobei einer Person eine Rippe gebrochen wurde. Neben der brutalen Räumung nutzten die Cops als weiteres Druckmittel die Androhung von Untersuchungshaft und führten nach vielen Stunden Gewahrsam sieben Besetzer*innen eine_r Haftrichter_in vor. Eine Person, Primbo, wurde die nächsten Wochen in der JVA Lichtenberg eingesperrt. Viele Personen wurden identifiziert, aber immerhin vier Personen kamen frei, ohne dass die Staatsschergen die Identität feststellen konnten.
Zu den Tu-Mal-Wat Aktionstagen wurde zur ID-Verweigerung² aufgerufen, inklusive Reader, der offen verteilt wurde. Möglicherweise dachte sich der Staatskasperleverein, jetzt „durchzugreifen“, damit sich die ID-Verweigerung hier nicht als gängiges Mittel bei Kontakt mit Cops durchsetzt, um Repression seitens des Staates zu erschweren / unmöglich zu machen, wie es in anderen Kontexten der Fall ist. Leider kam es nicht zur erhofften Überforderung der Repressionsbehörden, da es bis auf eine Baumbesetzung einiger Menschen, keine weitere geräumte Hausbesetzung während der Aktionstage gab. Deshalb konnten die Cops all ihre Ressourcen an einigen wenigen Aktivistis auslassen.
Die Prozesse der acht (identifizierten) angeklagten Besetzer*innen sind angelaufen, die Staatsanwaltschaft erhebt drakonische Vorwürfe. Darunter der Vorwurf des „gemeinschaftlichen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt*innen im besonders schweren Fall“ (§113, 2 StGB) hat sich die Staatsmacht durch das angebliche Einhaken der Besetzenden untereinander aus den Fingern gezogen und kann mit einer Freiheitsstrafe ab sechs Monaten vollstreckt werden. Dieser Vorwurf ist neu und wurde erst 2017 im Rahmen der Gesetzesverschärfungen um G20 in Hamburg eingeführt. Sollte dieses Urteil gefällt werden, könnte jede Sitzblockade zu einer Haftstrafe führen. Daher ist es wichtig die Prozessführenden zu unterstützen, sich gegen diese massive Kriminalisierung unseres Widerstands zu wehren. Wir begrüßen den queer-feministischen Anspruch einer oftmals mackergeprägten Aktionsform.
Die kommenden Prozesse werden neben Geld eine Menge Kraft und Nerven kosten. Das heißt es wird solidarische Begleitung des gerichtlichen Kasperletheaters gebraucht und natürlich weitere feministische, herrschaftsfeindliche Aktionen, Besetzungen und mehr! Kommt heute zahlreich und bringt eure Geldbeutel mit.
Gemeinsam gegen Repression! Solidarität mit den angeklagten Besetzis!
¹ Die Vorsilbe “cis” verweist auf die Übereinstimmung der eigenen Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht. Das Geschlecht von cis Personen wird in der Regel nicht in Frage gestellt und geht mit strukturellen Privilegien einher.
² ID-Verweigerund oder Personalienverweigerung beschreibt die Strategie und Praxis gegenüber Polizei und anderen Repressionsorganen keine Angaben zur eigenen Person zu machen, sodass diese im Idealfall mensch nicht identifizieren können. In anderen Kontexten wie z.B. Massenaktionen stellt sich die Praxis als unglaublich wirkungsvoll dar, da es zur Kompletten Überforderung der Repressionsbehörden kommt und bestenfalls alle Menschen repressionsfrei aus der Gesa wieder entlassen werden müssen.
[English]
Solidarity bar for those facing repression after the squatting of VilLA 54 | Adlerstraße 2 | 20.00 Uhr | 28. Februar 2020
What happened?
As part of the Tu-Mal-Wat campaign days in September 2019, The vilLA54 was an attempt to establish a new feminist space, free from authority. For this purpose, a small group of people occupied a former brewery at 54 Landsberger Allee, which previously has been empty for 7 years. The building owned by Patzendorfer GmbH, part of the company Investa is now empty again. Investa? Exactly, the same actors of displacement who want to build luxury buildings in the Rummelsburger Bucht.
Above all, the house would be a shelter for people from marginalized groups and a community organising space. The place was opened for diverse concepts, though it aimed to create space for FLINT* people by keeping the upper floor free of cis men¹.
Unfortunately, this did not happen. The vilLA54 was evicted on the same day with a large police force including climbing special units. The cops were very brutal and treated the squatters as if they were a violent threat. The people were literally beaten out of the building with one person’s rib broken in custody.
In addition to the brutal eviction, the cops threatened them with pre-trial jail (potentially weeks, or even months) and after many hours of custody, showed seven squatters to a judge to decide. One person, Primbo, was locked up in the Lichtenberg prison for two weeks. Many people were identified, but four people were released without the state ‚authority‘ being able to determine their ‚identity‘.
During the Tu-Mal-Watt campaign days, a zine was released promoting ID refusal² which was distributed openly. The repression organs may have thought of taking stronger action now, so that ID refusal does not become a common practice to challenge state repression, as it is in other contexts. Unfortunately, the repression ‚authorities‘ were not overwhelmed, as there was only one other house occupation, and some people in the trees, with only a small number of people fully denying their ‚identity‘ to police, leaving them appearing as an alone threat.
Due to great promotion but minimal activism, the Tu-Mal-Wat campaign appeared to the ‚authorities‘ as a great threat to investor speculation. Painfully, the ‚authorities‘ applied strong resources to attend to it, which meant greater force was used on a smaller number of people to ‚make an example‘ out of them.
The first vilLA54 trials against the occupiers will begin soon, and the authorities are making draconian accusations. In addition to money, the upcoming processes will cost a lot of strength and nerves, so there is a need for solidarity and support for the upcoming court cases, and of course other feminist actions, occupations and more!
¹ The prefix “cis” indicates a person identifying with the gender identity assigned at birth. The gender of cis people is usually not questioned and is associated with structural privileges.
² ID refusal or personal refusal describes the strategy and practice towards the police and other repression bodies not to disclose personal information, so that ideally they cannot identify people. In other contexts such as In practice, mass actions are incredibly effective, as the repression authorities are completely overwhelmed and, at best, all people have to be released from the Gesa without repression.