Beitrag zur Besetzung der Guntramstraße 44

Hier ein Beitrag zur Besetzung der Guntramstraße 44 am 08.12.2018 von der angeklagten Person

Die durchschnittlichen Mietpreise in Deutschland sind in den letzten Jahren sehr stark angestiegen. Dies hängt mit mehreren Faktoren zusammen. Einer der wichtigsten Faktoren dürfte sein, dass durch die Finanzkrise 2006 der Fokus vieler Investoren und Spekulanten auf den Wohnungsmarkt gefallen ist.
 
In Freiburg sind die durchschnittlichen Mieten von 2011 bis 2019 um 32-49% gestiegen, je nach Größe der Wohnung [1]. Im gleichen Zeitraum sind die Durchschnittslöhne nur um etwa 18% gestiegen [2]. Im Jahr 2019 lag in Freiburg der Anteil der Durchschnittsmiete schon bei über 41% des Nettoeinkommens [3].
 
Die Politiker in Berlin bekommen das leider nicht selbst zu spüren, da ihre Diäten im gleichen Zeitraum um etwa 32%, also etwa so viel bei einer Mietwohnung über 100m² in Freiburg gestiegen sind. Es gibt ein paar halbherzige Versuche die Mieten zu beschränken, leider hat es bisher nur das Land Berlin geschafft ein ordentliches Gesetz, mit dem Mietendeckel, umzusetzen.
 
In Freiburg, wie auch sonst in Baden Württemberg, sieht es diesbezüglich richtig schlecht aus. Ich selbst kämpfe seit über zwei Jahren gegen die überhöhten Mieten in meiner Wohnung, leider bisher nicht erfolgreich. Ich zahle 20% über dem Mietspiegel, dies ist möglich, da ich rechtlich nichts gegen meinen Vermieter in der Hand habe. Zum einen ist das Gesetz der Mietpreisbremse sehr löchrig, zum anderen ist der Mietspiegel selbst ein Witz. Er schließt kategorisch viele Wohnungen aus, z.B. die von Wohngemeinschaften bewohnt werden. Außerdem wachsen die Mieten mit dem Mietspiegel sehr schnell an, da er sich nur an den neuen Mietverträgen und nicht an Bestandsmieten orientiert.
 
 
Eine übliche Praxis um sehr hohe Mieten durchzusetzen besteht darin eine Wohnung zu entmieten, dies wird meist mit einer Anmeldung von Eigenbedarf gemacht. Nach dem erfolgreichen Entmieten wird die Wohnung saniert und danach teurer erneut dem Mietmarkt zur Verfügung gestellt. Zu Eigenbedarf kommt es in den seltensten Fällen. Ich habe in meinem Bekanntenkreis dieses System schon sehr häufig beobachten können. Viele Menschen haben so ihre Wohnung verloren und mussten zu viel höheren Preisen ein neues Mietverhältnis eingehen oder in eine andere Stadt oder aufs Land flüchten.
 
Falls ein Eigentümer eine Wohnung oder Baugrund gewinnbringend verkaufen möchte, kann es sich lohnen die Wohnung/das Haus nicht zu vermieten und leer stehen zu lassen. So wird die Wohnungssituation künstlich verknappt und die Immobilie oder das Bauland kann wenige Jahre später sehr gewinnbringend veräußert werden.
 
Beide genannten Praxen sind leider mittlerweile die Regel und nicht die Ausnahme und brechen mit der Vorgabe aus dem Grundgesetz: „Eigentum Verpflichtet“.
 
 
Zum Zeitpunkt der Besetzung der Guntramstraße 44 war nur bekannt, dass der Eigentümer die vorherigen Mieter mit einer Anmeldung auf Eigenbedarf entmietet hatte und eine Wohnung sogar schon seit einem Jahr leer stand. Ob es die erste oder zweite Praxis oder tatsächlich ein Eigenbedarf werden sollte, war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar. Ein echter Eigenbedarf war aber wegen der Größe der Immobilie sehr unwahrscheinlich. Letztlich hat es sich herausgestellt, dass der Eigentümer nicht in das Haus einziehen wird. Damit ist der Eigentümer kein Geschädigter, sondern Teil des Systems welches dazu führt, dass die Mieten immer größere Anteile des Einkommens der Mieter auffrisst.
 
Die Besetzung der Guntramstraße 44 sehe ich als eine politische Aktion an, um auf Missstände hinzuweisen. Sie ist als Erfolg zu werten, da nach der Besetzung eine offene Debatte über Mieten und Leerstand anlief. Einige Gemeinderatssitzungen befassten sich mit der Thematik und es wurde ausgiebig in der Presse berichtet.
 
 
Meiner Meinung nach gibt es dringenden Bedarf für einen offenen Diskurs. Dieser wird leider kaum mit offenen Briefen und Demonstrationen angeregt. Die Besetzungen der letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass diese ein viel effektiveres und adäquates Mittel zum Zweck sind. Wir müssen schnell handeln, da das Menschenrecht auf Wohnen momentan stark angegriffen wird.
 
Es gab viele andere Hausbesetzungen, aber es gab und gibt weitaus mehr leerstehende Häuser in Freiburg. Warum wird eigentlich immer gegen die Besetzer und nie gegen die Hauseigentümer ermittelt?
 
 
Quellen: